Lese 2020 digital

AUSSTELLUNG

Volker Kühnemund

Freischaffender Künstler (1948-2016)

„Hoch im Norden“

Die Ausstellung „Hoch im Norden“ mit fotoimpressionistischen Bildern und Ölgemälden von Volker Kühnemund (1948-2016), ist eine Hommage an die nordfriesische Heimat des Künstlers, der in Westerland auf Sylt geboren ist. Angelica Kühnemund hat uns diese drei Bilder zur Veröffentlichung geschickt. 

LITERARISCHER SPAZIERGANG

Waltraud Amberger

Literaturwissenschaftlerin und Philosophin

Möglichkeitsräume entwerfend, ist Literatur auch selbst ein Freiraum. Wer nach Antworten sucht, findet neben diesen auch weitere Fragen – Freiräume zum Weiterdenken. Das ist das spannende am Lesen und dazu möchte ich Sie einladen.

Die persönliche Begegnung bei den Lesungen fällt aus, die Bücher bleiben :

  • Hölderlins Geister

    Karl-Heinz Ott

  • Rausch und Stille

    Karl-Heinz Ott

  • Und jeden Morgen das Meer

    Karl-Heinz Ott

  • Tante Martl

    Ursula März

  • Pferde stehlen

    Per Petterson

  • 111 GRÜNDE NORWEGEN ZU BEREISEN

    Gabriele Haefs

  • Das Lügenhaus (Band 1)

    Anne B. Ragde

  • Einsiedlerkrebse (Band 2)

    Anne B. Ragde

  • Hitzewelle (Band 3)

    Anne B. Ragde

  • Sonntags in Trondheim (Band 4)

    Anne B. Ragde

  • Die Liebhaber (Band 5)

    Anne B. Ragde

SCHREIB- UND ERZÄHLWERKSTATT

Walter Menzlaw

arbeitet seit mehr als vierzig Jahren als freier Theaterpädagoge, Autor und Regisseur

1984 war er einer der Gründer des Chawwerusch Theaters in Herxheim, wo er auch als Hausautor und -regisseur aktiv ist. Zusammen mit dem Chawwerusch Theater erhielt er neben diversen weiteren Auszeichnungen 2010 die Sinsheimer Plakette.

Einsamer Tag am Fenster
(Amsterdam 1939)

Wolken werden Kissen
Und ich träum gen Himmel,
Als wolle ich in alten Märchenbüchern lesen,
Als wolle ich in weich Schimmer sanft verwesen,
Die Erde lieben, doch nichts von ihr wissen.

Die Märchenbücher hab ich längst zerrissen.

Doch unter meinem Fenster steh ein Schimmel,
Vor einem Heringskarren hat man ihn gespannt.
Bringt er mir Glück?
Ich kann doch Glück nicht mehr ertragen.
Ich flehe um die Antwort auf des Jammers Fragen?

Das Fell des Schimmels scheint den Wolken wohl verwandt.
Ein Baum singt Lieder, fremd und süß bekannt.
Es gibt ja Glück.

Irmgard Keun

Seit das Theater geschlossen ist veröffentlicht das Chawwerusch Theater täglich auf Youtube unter dem Titel „Drinbleiben. Dranbleiben.“ einen kleinen künstlerischen Beitrag. Z.B. diesen Brief aus dem Gefängnis von Rosa Luxemburg, gelesen vom Ensemblemitglied Felix S. Felix. Wir finden, dass dieser Text auch als Kommentar zu unserem Thema „Freiräume“ gelesen werden kann. 

POETISCHE WEINBERGWANDERUNG

Hasan Özdemir

in der Türkei geborener, deutschsprachiger Lyriker

Halkidiki

In Halkidiki angekommen
Haben Schwalbenkinder die Nester
Verlassen und

Wir segeln im Licht der Dämmerung
Halb nackt, halb träumerisch, halb melancholisch
Und lassen den Hafen einsam

Das Meer im Blick
Singen wir Lieder, die nie enden
Immerfort in zwei Sprachen

Wir

Haben die Segel dem Wind gegeben
Sind betrunken, haben zu viel Sonne
Getrunken

Haben alles dem Meer gegeben
Unsere Liebe, unsere Träume, unsere Einsamkeit
Hatten sonst nichts

Noch stehen wir mitten im Leben
Wie ein trockenes Brot von Gestern
Würde auch nur uns passen

Hans Thill

Lyriker, Übersetzer und Leiter des Künstlerhauses Edenkoben 

Ein August in Vézelay

Hans Test lebt in den Geraeuschen zur Abwehr von Gedanken. Ein kurzes Husten und die Ideen waeren aus der kuehlen Kammer verschwunden. Sie sind bei den Gespenstern, die um Einlass in die Arche Noah betteln
Jeder Gedanke stiehlt etwas aus der Welt
Daniel in der Loewengrube. Angreifende Loewen. Die Welt in Anbetung vor dem Kreuz (Kopie)
Er liest ein Buch, das ihm nicht gefaellt. Er findet einige Gedanken zu Schlaeuchen zusammengerollt und ein paar Geraeusche, die wie Kinder die Wiese hinaufkommen
Er erkennt die Fragen seiner fruehen Jahre. Er sieht sich als Schatten auf dem Ruecken liegend. Er sieht Voegel auffliegen und schliesst auf ein Geraeusch, das er nicht hoert. Er haelt das Buch in der Schraege, damit die Fluessigkeit ablaufen kann
Jetzt gefaellt ihm das Buch. Er findet eine Seite, die ihm perfekt erscheint. Es treten auf: der prahlerische Soldat, der Schmarotzer, der traurige Matrose mit dem Papagei. Der junge Verschwender, die Dirne treten nicht auf, haetten aber Raum genug, ein andermal. Dafuer gibt es den geizigen Vater, die verliebte Tochter, den albernen Diener. Der Barbar erkennt, dass das Buch geschrieben wurde, um diese Seite zu vermeiden. Dass sie aber schliesslich doch geschrieben und in diesem Buch versteckt wurde. Als Tuerschwelle, Balken

Hans Test liest jetzt ein anderes Buch, das ihn langweilt, aber voll von Woertern ist, aus denen etwas wachsen moechte. Er sieht neun Gesichter mit jedem Auge und im linken noch als gruenen Fleck den Rest eines Insekts. Er sagt sich, er gehe durch einen Traum, aber es ist nur das langweilige Buch mit den wachsenden Namen, das ihn aengstigt
Er hat eine Ahnung. Er beruehrt kein Kabel, keine Ader, keine Wasserleitung. Ein Sonnenstrahl macht noch keine Wueste. Eine Luft macht noch keinen Hurrikan
Die Befreiung des hl. Petrus. Der Kampf des Guten mit dem Boesen (Kopie). Die Hinrichtung von Sauls Moerdern
Er findet eine Tastatur fuer lange Saetze, Komma und Semikolon sind leicht zu finden, der Punkt muss generiert werden. Sein Code ist das Haus des Herrn in Notensprache: Do Mi Si La Do Re.
Er sieht den Himmel als Teppich. Den Garten als Grundriss des Himmels. Er hoert wieder Stimmen. Die Sprache der Wespen
Kublai Khan und Marco Polo zwei Penner im kurzen Hemd mit grosser Plastikflasche, einer schwarzen Tinte und einer Tuete zermahlener Kekse, bedraengt von Sheriffs in den unterirdischen Kanaelen Frankfurts Rohrpost
Er sagt: Vézelay ist ein Esel in Burgrund. Ein kahler Ruecken, gekroent von Steinen. Er sagt: Reime sind Insekten. Er sagt: der Morgen haengt an meinen Fersen, an meinen Fersen haengen Wolken, ein Duesenjaeger springt mit Laerm durch den Himmel, der ein Teppich ist

LITERATURFEST

Die folgende Sammlung gibt einen kleinen Eindruck des Programms für das Literaturfest 2020. 

Monika Geier

Krimiautorin

Monika Geier hat uns einen Text aus ihrer Sammlung geschickt:

„Meinem Beruf Krimiautorin geschuldet: Giftpflanzen. Ich schreibe und zeichne eine Giftpflanzenkolumne für die Pirmasenser Zeitung.“

Der Fliegenpilz

Der Fliegenpilz gilt uns als sicheres Erkennungszeichen eines Märchenwaldes, obwohl er nicht in einem einzigen Märchen vorkommt. Außerdem benutzen wir ihn als Universal-Glücksbringer, doch seine reale Glückswirkung als Droge (wie auch sonst) ist eher gering. Und er ist nicht ganz so gefährlich, wie er aussieht: Es gibt keinen dokumentierten Fall einer tödlichen Fliegenpilzvergiftung. Alles, wofür der Fliegenpilz symbolhaft steht, findet in seiner wahren Existenz keinen Widerhall. Trotzdem ist er eine Ikone, für viele Menschen der Pilz schlechthin, der einzige, den sie kennen. Wer hat den Fliegenpilz auf diesen Thron gehoben? Es waren Kinder. Mithilfe ihrer Fantasie hat der Fliegenpilz ein Gedicht usurpiert und so seine Karriere begründet. Als der Dichter Hoffmann von Fallersleben vor knapp 200 Jahren den Rätselreim „Ein Männlein steht im Walde“ veröffentlichte, da ließ er als guter Dramatiker offen, wer das Männlein sein mochte. Tatsächlich meinte er die Hagebutte, die aber wesentlich langweiliger ist als ein Fliegenpilz und auch nicht still und stumm und vor allem nicht allein im Walde steht, wie in der ersten Strophe des Liedes besungen.

So erkannten die meisten Kinder den (für sie) viel eindrucksvolleren, giftig-gruseligeren, außerdem deutlich purpurroteren Fliegenpilz. Hoffmann von Fallersleben wiederum missfiel die feindliche Übernahme seines Liedchens durch jenen (für ihn) nebensächlichen Pilz, der bis dato eher als Mückenköder und unappetitliches schamanisches Rauschmittel bekannt war. Darum dichtete er nach Jahren noch eine dritte Strophe mit der Hagebutten-Lösung, doch es war zu spät: Engelbert Humperdinck übernahm den Kinderreim in seine Oper „Hänsel und Gretel“, und zwar ohne die Hagebutte. Von da an war der Fliegenpilz das Männlein im Walde der Herzen, wurde zum Medienstar und Botschafter unserer Märchen. Und zum Glückssymbol. Vielleicht doch zu Recht. Weil das Glück, für das er steht, die kindliche Begeisterung ist, die wildere Helden sucht und märchenhaftere Deutungen findet.

Tanja Mahn-Bertha

Erzählerin aus Weisenheim am Berg

Anja Kleinhans

Schauspielerin, Theader Freinsheim

Arnim Töpel

deutscher Kabarettist und Musiker

wäre nicht zum ersten Mal beim Literaturfest dabei gewesen. Der Sinsheimer-Plakettenträger von 2014 kommt immer wieder gerne nach Freinsheim.

Greller Viera Quartett

Das 2015 gegründete Quartett stellt bekannte Jazz – und Latin Standards moderneren Eigenkompositionen gegenüber. Frischen Wind in die Band bringen die jungen Musiker Johannes Freiermuth am Bass und Julian Wagner am Schlagzeug.

Till Greller: Piano
Henri Viera: Gitarre, Komposition
Johannes Freiermuth: Bass
Julian Wagner: Schlagzeug

© Copyright - Literarische Lese Freinsheim